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medicruiter in der WAZ - Pflegekräfte aus dem Ausland: Warum viele wieder gehen

Erschienen am 22. Mai 2023 - Interview mit Dr. Meiko Merda (medicruiter GmbH).

Immer mehr Pflegekräfte aus dem Ausland bewerben sich in NRW. Das hilft dem Fachkräftemangel. Doch hier angekommen, stehen sie vor großen Hürden.

Nicht immer ist Medizin für alle da. Manchmal muss Susana sich entscheiden, wem sie das letzte Fläschchen gibt. Die 30-Jährige ist Krankenpflegerin in einem kleinen Dorf in Mexiko. Wenn das Personal fehlt, arbeitet sie auch schon mal 24 Stunden durch für umgerechnet knapp über 260 Euro im Monat. Ihre Arbeitskleidung, Masken und Spritzen zahlt sie aus ihrer eigenen Tasche. „Diese Belastung halte ich nicht mehr aus.“

Schon als kleines Mädchen stand für Susana fest: Sie will Menschen helfen. Doch in ihrem Heimatdorf stößt die junge Frau an ihre Grenzen. Neben der emotionalen Belastung kann sie sich mit ihrem Mann hier kaum ein Leben finanzieren. Sie beschließen, nach Deutschland auszuwandern. „Ich möchte mir hier eine zweite Heimat, ein neues Leben aufbauen“, sagt Susana. Doch das ist gar nicht so einfach, warnen Experten.

„Hier angekommen, stehen die Menschen häufig vor Problemen, sodass viele nach kurzer Zeit wieder abwandern – und wieder eine Lücke auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen“, sagt Meiko Merda, Integrationsexperte von Medicruiter. Das Unternehmen mit Sitz in Düsseldorf wirbt ausländische Pflegefachkräfte an und kümmert sich um eine langfristige Integration der Menschen hier in Deutschland.

Jedes Jahr mehr ausländische Bewerber in NRW

Wegen des hohen Fachkräftemangels werben Pflegeeinrichtungen und Politik immer offensiver um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Ausland. Zuletzt sprach die Landesregierung von fast 24.000 offenen Stellen allein in NRW.

Die Zahl an ausländischen Pflegekräften steigt jedes Jahr an. Laut Zahlen des Statistischen Landesamtes bewarben sich 2021 rund 4000 Menschen in NRW. Zum Vergleich: 2017 zählte das Land gerade einmal rund 1400 Bewerbungen. Unter ihnen sind häufig Menschen aus Polen, Türkei oder Bosnien-Herzegowina. Aber auch außerhalb Europas, etwa in Mexiko oder den Philippinen, steigt das Interesse an einer Arbeitsstelle in Deutschland. Konkrete Zahlen zur Abwanderung liegen dem Land nicht vor. Daten des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarktforschung zeigen: Jede zehnte eingewanderte Fachkraft verlässt Deutschland wieder.

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Pflegekraft Alma aus Mexico freut sich auf ein Leben in Deutschland. (Symbolbild) 
Foto: Privat

„Menschen stehen vor sprachlichen Problemen“

„Viele Pflegekräfte aus dem Ausland haben Probleme mit der Verständigung“, erklärt Meiko Merda. Und dass, obwohl sie bei ihrer Ankunft das deutsche Sprachniveau B2 vorweisen müssen. Die sprachlichen Anerkennungsverfahren seien von unterschiedlicher Qualität. Zudem werde die berufsspezifische Fachsprache nicht immer automatisch in den Sprachkursen angeboten. Diese müsse in den Qualifizierungskursen verpflichtend sein, sagt Merda.

Susana wird gemeinsam mit Alma (33) nach Deutschland kommen. Die beiden kennen sich aus den Sprachkursen vom Medicruiter-Programm. Beide wünschen sich nichts mehr, als Anschluss zu finden und sich mit den Kollegen gut zu verstehen. Alma ist vor ihrer Ankunft in Deutschland nervös. Sie fragt sich: „Was ist, wenn ich meine Kollegen nicht verstehe? Oder meine Gefühle nicht richtig ausdrücken kann?“

Ausländische Pfleger: Keine Einarbeitung, „einfach ins kalte Wasser geworfen“

Häufig komme es vor, dass eine ausländische Pflegekraft etwa eine in Rente gegangene Pflegerin vollständig ersetzen müsse. Merda: „Das klappt nicht.“ Nicht nur die Neuankömmlinge fühlten sich überfordert und alleingelassen. Auch das Stammteam, das wegen fehlendem Personal sowieso schon auf dem Zahnfleisch geht, werde zusätzlich belastet, betont der Experte.

Eine Pflegekraft aus Mülheim beschreibt die Situation so: „Obwohl die Kommunikation oft lebensnotwendig ist, sprechen einige Kollegen auf der Station kein Deutsch.“ Man verständige sich mit Händen und Füßen. Die neuen Mitarbeiter werden nicht richtig eingearbeitet, sondern „einfach ins kalte Wasser geworfen.“

Pflegekräfte aus dem Ausland: Frustriert wegen falscher Erwartungen

Damit beim Stammteam keine falschen Erwartungen entstehen, seien Kliniken in der Verantwortung, die Gruppe über fachliche und persönliche Hintergründe der neuen Mitarbeiter aufzuklären, sagt Migrationsexperte Merda. Das Team müsse intensiv geschult und dauerhaft begleitet werden. „Sonst kann die Enttäuschung irgendwann so groß sein, dass auch die deutsche Pflegekraft aus dem Beruf geht.“

Und auch die Neuankömmlinge kommen oft mit Erwartungen, die nicht immer erfüllt werden. Marcel Schmutzler, Sprecher der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) mit Sitz in Bonn, nennt ein Beispiel: „Die Berufsabschlüsse unterscheiden sich hier und im Ausland in der Regel voneinander.“ In ihrem Heimatland übernehmen die Menschen meist mehr Behandlungsaufgaben, gehen dem Arzt öfter zur Hand. Alltagspflege, wie Patienten waschen oder ihnen Essen anreichen, wie sie hier von Pflegekräften übernommen wird, ist woanders Aufgabe von Familienangehörigen. In diesen Bereichen müssten sich die neuen Mitarbeiter oft nachqualifizieren.

Schmutzler: „Dadurch fühlen sich viele nicht wertgeschätzt oder gar überqualifiziert.“ Deshalb berät die ZAV Menschen vor ihrer Ankunft genau über ihre Aufgaben vor Ort in den Einrichtungen. „Das sollte überall so sein“, so der Experte.

„Der Abschied von meinen Freunden ist das Schlimmste“

Neben der richtigen Vorbereitung auf den Job spiele auch das persönliche Umfeld der Menschen eine große Rolle, betont Schmutzler. Immerhin lassen sie meist ihr altes Leben, ihre Familie zurück. Wann und ob man sich wiedersieht, ungewiss. „Arbeitgeber sind in der Verantwortung, über die normale Arbeitszeit hinaus für die Menschen da zu sein“, sagt Schmutzler. „Im besten Fall werden die Menschen gemeinsam mit anderen aus ihrer Heimat vermittelt.“

Die Pflegerinnen Alma und Susana kommen in eine Münchner Klinik. Wenn Alma über den Abschied mit ihren Freunden spricht, stockt ihre Stimme. „Das ist das Schlimmste“, sagt die jungte Frau aus Mexiko-Stadt. Ein Trost für sie: Sie wird ihre Liebsten viel öfter besuchen können. Schließlich hat sie in Deutschland deutlich mehr Urlaub als in Mexiko. Da waren es nur sieben Tage im Jahr.

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Pflegerin Susana verdient in ihrer Heimat in Mexico umgerechnet gerade einmal knapp über 260 Euro im Monat. 
Foto: Privat

>>>Info: Das verdienen Pflegekräfte

In Mexiko verdient Pflegerin Susana 5000 mexikanische Pesos, umgerechnet knapp über 260 Euro im Monat. In Deutschland verdient eine Pflegefachkraft nach dreijähriger Ausbildung monatlich mindestens 3300 Euro brutto. Bei höherer Qualifikation auch 4300 Euro. Zuschläge für Nachtschichten und Wochenendarbeit kommen in Deutschland hinzu.

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